Vor einigen Tagen meinen ersten Pressetext verfasst und nach dem Abschicken per mail gemerkt, dass ich die noch nicht aktive web Adresse kkkkunst.de angegeben hatte. Böser Fehler. Beim Schreiben eines solchen Textes bleibt einem nicht erspart darüber ernsthaft nachzudenken was man denn eigentlich vorhat. Besonders beschäftigt hat mich dabei meine multikulturelle Sehnsucht und wo die ihre Ursprünge hat. Es war dann gar nicht so schwer dahinter zukommen. Das war nämlich so. Ich stamme ja von der Ostsee wo meine Mutter eigenhändig durch meinen Vater von mir in einem kleinen Bauernhaus entbunden wurde. Da war ich quasi schon zweisprachig: plattdütsch und das hochdeutsch von Papa. Mit 3 mon. ging es dann nach Köln (Kölsch) weil mein Vater von den Calvinisten die Nase voll hatte die immer mit vorwurfsvollen blick die Bierflaschen mitzählten, die er am Tage öffnete. Ein paar Jahre lebten wir dann in Braunsfeld um dann im zarten Alter von fünf , also 1963 in die Brabanter Str. 13, Ecke Lütticher Str. umzuziehen. Papa ging tagsüber im Postamt Briefmarken stempeln-fand ich super – vorallem die Uniform mit dem gelben Posthorn. Damals war in dem Haus keine Edelzahnklempnerei für Implantate untergebracht sondern die ersten spanischen und portugiesischen Gastarbeiter. Mein Vater, der vom Drogisten zum Schädlingsbekämpfer und Wochenmarkthändler zum Postbeamten mutiert war hatte in der Stelle des „Heimleiters“ (so hieß das damals) ein echt gemütliches Auskommen gefunden bei dem er als Alleinherrscher die spanisch-portugisischen Kolonialisten und Franco Getreuen an deutsche Ordnung gewöhnte. Postwohnheim so nannte sich das Ganze und meine Kindheit durfte ich dort bis 1977 verbringen. Wenn jemand sich daran erinnert wie eine Jugendherberge vor 40 zig jahren aussah hat er eine ungefähre Vorstellung davon wie die Unterbringung aussah. Der Unterschied war nur das die Männer drei, vier und fünf Jahre in den grauen vielleicht 20 qm großen Zimmern zu viert oder fünft verbrachten. Als Möblierung dienten eiserne, braun lackierte Etagenbetten. Ein schlichter zweitüriger Holzschrank pro Bewohner, der alles an Habe enthielt was man so mitnimmt um sein Leben in Deutschland arbeitender Weise zu verbringen. Dann ein Tisch mit grau- weiss gesprenkelter Resopalplatte und entsprechend der Zimmerbelegung, einfache stabile Buchenholzstühle. Das aufhängen von Bildern war nur in den Schränken gestattet, die Hausordung der Postwohnheimverwaltung, in der OPD (Oberpostdirektion) erstellt, ließ solche individuellen Auswüchse wie Zimmerschmuck nicht zu. Das Buchstabenkürzel OPD war ein Machtfaktor der auch meinen Vater innerhalb gewisser Grenzen einschüchtern konnte. Gelegentlich kam nämlich jemand von der OPD vorbei um die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren und vermutlich zu verhindern das untreue Beamte unter der Hand ein Bordell eröffneten. Frauenbesuch war strengstens verboten und ich glaube bis zu meinem 17 ten Lebensjahr dachte ich das Südländer ohne Sexualität auf diesem Planeten geboren sind und sich mit gelegentlichen emotionalen Ausbrüchen in Form von durch zwei Löffel substituierten Kastagneten und kehligem Gesang Spass und Lebensfreude verschaffen.
mein Skizzenbuch von 1983, Barcelona
Meine Mutter und die Putzfrau, eine alte Frau um die 60 zig, waren die einzigen weiblichen Wesen die das Haus betraten. In jeder Etage befand sich außerdem ein Raum, der den vielversprechenden Namen Küche hatte. Ein mit Zweiplatten Elektroherden auf wackeligen Metallgestellen ausgerüsteter Raum, dazu ein Tisch mit Stühlen und Spülgelegenheit. Die Männer brieten hier selbst geschnitzte Pommes Frites in Olivenöl (das Rezept kann ich nur empfehlen) und auch solche Nationalgerichte wie den portugiesischen Bacalhau (Stockfisch) die mein Vater wegen des intensiven Fischgeruchs verabscheute. Erschwerend kam hinzu, dass in Ermangelung eines anderen Aufbewahrungsortes, die von zu Hause mitgebrachten Stockfische in den zweitürigen Schrank gehängt wurden zwischen Arbeitsanzug und Ausgehanzug und der ganze Raum von dem Geruch nach altem, getrocknetem Fisch erfüllt war. Ich kann mich nicht erinnern das es für die Männer Kühlschränke gegeben hätte. Der einzige Luxus war ein Anfangs im Erdgeschoss gelegegener Fernsehraum in dem man allerdings nur die damals vorhandenen 1. und 2. Programme empfing. Die wenigsten sprachen ein paar Brocken (wie mein Vater sich ausdrückte) deutsch, es waren ja zumeist einfache, vom Land stammende Leute die die wirtschaftliche Situation ihrer Familien verbessern wollten und das verdiente Geld nach Hause schickten. Einmal pro Jahr konnten sie ihre Frauen und Kinder besuchen. Viele dieser Familien zerbrachen an der Trennung. Irgendeine soziale Hilfestellung oder Betreuung gab es nicht. Man war ja ausschließlich an der Arbeitskraft interessiert.
Ungewöhnlich waren unsere Weihnachtsfeste die einfach anders verliefen als bei meinen Schulkameraden; was mir eher peinlich war und weiter keine Erwähnung ihnen gegenüber fand. An Heiligabend bereiteten meine Eltern bunte Tüten vor in die eine Apfelsine, eine Bierflasche und eine Tafel Schokolade hineinkam. Dann gingen sie durchs Haus um die Tüten zu verteilen. Ich erinnere mich noch daran, dass einige der Männer die von den Sauberkeitsvorstellungen meiner Eltern krass abwichen, besondere Namen erhielten von denen mir nur Diaz-Schweinetreiber im Gedächtnis geblieben ist . Wir nahmen uns in unserer Kultur als sehr aufgewertet wahr, wenn uns einige aus Zentralspanien stammmende Mitbewohner Fotos von zu Hause zeigten auf denen im Hintergrund eine Höhlenwand zu sehen war. Im allgemeinen war mein Vater aber voll Respekt vor der Arbeitsauffassung der Gastarbeiter zumal er selbst den Platz auf dem Sofa, den Rheinischen Merkur lesend, allen anderen besonders körperlichen, Beschäftigungen vorzog. Bei der Weihnachtsrunde zeigten sich die Leute dann sehr gerührt und mein Vater konnte es aus Gründen der Höflichkeit nicht ablehnen den angebotenen spanischen Brandy zu trinken. Bobadilla, Veterano, Carlos Primero waren mir früh geläufige Begriffe der spanischen Trinkkultur. Meine Mutter bekam dann ein Gläschen Anisschnaps angeboten und durfte diesen aber mit dem Hinweis auf die noch anstehende Zubereitung des Essens auch ablehnen. Mein Vater trank dann einfach für sie mit. Rückblickend kann ich behaupten, dass mein Vater der trinkfesteste Mensch gewesen ist der mir begegnet ist- höchstens ein mit mir befreundeter Dachdecker hätte es mit ihm aufnehmen können.. irgendwie hatte er eine gedankliche Sperre im Gehirn, die verhinderte dass der Alkohol seine Wirkung bis dorthin verbreiten konnte. Und das heute wieder aktuelle Komasaufen war damals schon bei der deutschen Marine, wo mein Vater den Krieg verbracht hatte und im Postwohnheim Brabanter Str in seiner Erprobungsphase. Das Weihnachtsfest geriet jedenfalls regelmäßig zu einer spanisch-portugiesischen Gesangsveranstaltung bei der die Männer ihre ganze Traurigkeit über die Trennung von ihren Familien in die Wassergläser voll Brandy fliessen ließen. Stille Nacht, heilige Nacht gab es bei uns nicht. Das geklapper der improvisierten Kastagnetten und der traurig, kehlige Gesang dominierten ab einem bestimmten Alkoholpegel den heiligen Abend. Unvergesslich meine Einweihung in den Alkoholrausch im Alter von zwölf mit Hilfe meines sieben Jahre älteren Bruders, der neben mir sitzend, meine Abfüllung mit Quarenta i tres überwachte. Einer bis heute von mir mit Brechreiz belegten Likörsorte, die in der Wirkung dazu führte, dass mein Vater mich (kotzend) die Treppe hochtragen mußte und ich erst am 2. Weihnachtstag mich von der Alkoholvergiftung zu erholen begann. Gottseidank habe ich die Abneigung gegen alkoholische Getränke dann stets zu differenzieren gewusst und nur auf diese eine Likörsorte bezogen.
Eine weitere denkwürdige Geschichte die in der Brabanter Str. 13 stattfand, waren die täglichen Besuche unseres sogenannten Hausfreundes Dr. Dickels, der ein plötzlich wieder aufgetauchter Kriegskamerad meines Vaters war und in Köln in einer riesigen Altbauwohnung am Hohenzollernring eine Praxis für Haut und Geschlechtskrankheiten besaß. Im Wartezimmer saßen die Patienten auf unseren ausrangierten Postwohnheim Buchenholzstühlen und wackelten vor sich hin. Auf denen saßen alle Luden und Prostituierten des Friesenviertels die sich von so spannend klingenden Krankheiten wie hartem und weichen Schanker, Syphilis und Gonorhöe erholten, welche mein Vater als sozusagen Assistenzarzt von Gottes Gnaden im Mikroskop diagnostizierte und in Petrischalen davon die farbenfrohesten Kulturen anzüchtete. Heute sei nur soviel verraten: auch wenn der Schreibtisch im Sprechzimmer von Dr. Dickel nur auf drei Beinen stand, weil das vierte abgebrochen war und durch eine ältere Ausgabe der roten Liste ersetzt worden war, die beiden sind ein unschlagbares Gespann im Kampf gegen die Ausbreitung von Viren und Bakterien gewesen. Die neuesten Strategien wurden dann allabendlich im um die Ecke gelegenen Päffgen ausdiskutiert an der dann auch diverse andere Mediziner teilnahmen. Unter anderen ein Proctologe (Goldgräber oder Arschlochgucker genannt) und allgemein Mediziner deren Schreibtische so gedreht waren, dass sie wegen der Alkoholfahne am nächsten Tag mit dem Rücken zum Patienten saßen.. Demnächst mehr davon, ich muß mich jetzt vorbereiten auf meine Tätigkeit als Kameramann für illegale Kunstaktionen vom Künstlerpfadfinderclub (kpfc) auf der art cologne....(Bilder folgen in Kürze)
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